skip to content

Entstehung unserer Sprache

Wie unsere Sprache entstanden ist

 

Deutsch, Englisch, Polnisch, Griechisch, Persisch oder das indische Sanskrit – alle diese Sprachen besitzen einen gemeinsamen Ursprung, nämlich die sogenannte "indogermanische Protosprache", die vor rund 5000 bis 6000 Jahren vermutlich im Schwarzmeerraum und im anatolischen Hochland der heutigen Türkei gesprochen wurde. Sehr viele heutige europäische Sprachen stammen von diesem Ur-Indogermanischen ab. Zur indogermanischen Sprachfamilie gehören unter anderem die romanischen Sprachen wie Französisch und Spanisch, die slawischen Sprachen wie Russisch oder Tschechisch und eben die germanischen Sprachen wie Englisch und Deutsch (nicht aber beispielsweise Türkisch, Ungarisch oder Finnisch, die anderen Sprachfamilien, wie dem Altaischen oder der Finno-Ugrischen Sprachfamilie zuzuordnen sind). Die indogermanische Protosprache an sich ist ausgestorben, konnte allerdings in ihrer Schriftform anhand der heute noch lebenden indogermanischen Sprachen erfolgreich rekonstruiert werden. Als die am engsten mit der Protosprache verwandte lebendige Sprache gilt das Litauische aus dem baltischen Sprachzweig - auch wenn die Unterschiede enorm sind und eine gegenseitige Verständigung unmöglich wäre. Die indogermanischen Sprachen zeichnen sich durch eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten in Grammatik und Satzbau aus, beispielsweise die oftmals verwendete Vergangenheitsbildung mit den Worten "haben" oder "sein" in einer Partizipalkonstruktion (z.B.: "Ich habe gegessen." oder "Ich bin gegangen."). Die indogermanische Sprachenfamilie ist heutzutage die größte weltweit. Ihre Sprachen werden von ca. 3 Milliarden Personen gesprochen.

 

Vor etwa 4000 bis 5000 Jahren haben sich mit der Besiedlung Mittel- und Nordeuropas sowie des Nahen Ostens durch verschiedene Wandervölker die ersten Varietäten der indogermanischen Protosprache ausgebreitet. In dieser Zeit spalteten sich die einzelnen Sprachzweige der indogermanischen Sprachfamilie, wie die Sprache der Kelten, der Slawen, der italischen Völker oder der Germanen ab. Die Vorgängersprachen des heutigen Standarddeutsch (wie beispielsweise das Altsächsische) haben sich vor etwa 2000 Jahren eigenständig innerhalb des germanischen Sprachenzweigs entwickelt. Ein Teil dieses Vorgangs war die so genannte erste deutsche Lautverschiebung. Hierbei veränderte sich die Aussprache vieler Laute, beispielsweise wurden harte Verschlußlaute wie das "k" oder das "p" aufgeweicht. Durch diese erste Lautverschiebung grenzen sich auch heute noch die germanischen Sprachen von den südeuropäischen romanischen Sprachen ab. Ein Beispiel zeigt uns das Fragewort "was": So sagt man auf Latein „quod“ und auf Französisch und Spanisch „que“, was jeweils hart (mit einem "k"-Laut) ausgesprochen wird, im Deutschen, Englischen und Niederländischen aber "was", "what" oder "wat", wobei der harte k-Laut zu einem w-Laut aufgeweicht wurde.

 

In der Folge entwickelte sich das moderne Hochdeutsch aus der Altsächsischen und Altniederdeutschen Sprache über mehrere Sprachstufen hinweg. Dies sind das Althochdeutsche (750 – 1050), die Sprache Ottos des Großen oder Heinrichs des Vierten, das Mittelhochdeutsche (1050 - 1350), die Sprache der Minnesänger wie Walther von der Vogelweide und das Frühneuhochdeutsche (1350 - 1650), die Sprache Martin Luthers. Dieser Vorgang war von der sogenannten zweiten deutschen Lautverschiebung begleitet, bei der sich ebenfalls die Aussprache bestimmter Konsonanten verändert hat. So wurden beispielsweise "ik" zu "ich", "slapen" zu "schlafen" oder "dat" zu "das". Diese Verschiebung war im Süden Deutschlands stärker als im Norden und somit können wir auch heute noch zwischen den niederdeutschen, nicht-lautverschobenen Mundarten an der Küste (Plattdeutsch) und den hochdeutschen, lautverschobenen Mundarten (Bairisch, Alemannisch) unterscheiden. Auch zum Englischen oder Niederländischen, wo die zweite Lautverschiebung nicht stattgefunden hat, grenzt sich das Hochdeutsche durch die entsprechenden Konsonantenänderungen ab (z.B. deutsch: schlafen - englisch: to sleep).

 

Das heutige Standarddeutsch hat sich nach dem Dreißigjährigen Krieg aus im mitteldeutschen Raum beheimateten hochdeutschen Dialekten entwickelt und war ein Kunstprodukt der damaligen Zeit. Einen nicht unerheblichen Einfluss hatte die von Martin Luther bei seiner Bibelübersetzung verwendete sächsische Kanzleisprache, auf der auch unsere moderne Schriftsprache beruht. Als das akzentfreieste Hochdeutsch gilt heutzutage die aus dem hannöverschen Raum stammende Varietät des Deutschen. Die dort ursprünglich beheimateten Mundarten erscheinen aus diesem Grund heute verschwunden. Noch im 19. Jahrhundert galt (für uns heutzutage kaum vorstellbar) das sogenannte "Prager Deutsch" als akzentfreiste Varietät.

 

Im Vergleich zu den anderen Sprachen des germanischen Sprachzweiges wie Englisch oder Schwedisch aber auch zum romanischen Sprachzweig hat das Standarddeutsche eine relativ hohe Anzahl grammatikalischer Feinheiten der indogermanischen Vorgängersprachen bewahrt. Hier ist vor allem der hohe Flexionsgrad bei Artikeln und Adjektiven mit z.B. vier Fällen, drei Geschlechtern und einer relativ starken Unterscheidung von bestimmten und unbestimmten Formen zu nennen, der insbesondere für nicht-Muttersprachler die Suche nach der richtigen Endung zum Glücksspiel werden läßt. Im Vergleich zu anderen germanischen Sprachen ist auch der Flexionsgrad bei Verben relativ hoch. Dies ist auch der Grund, warum z.B. das Erlernen von Englisch von vielen Deutschen als leicht, im umgekehrten Fall das Erlernen von Deutsch von anderssprachigen Personen als schwierig empfunden wird. Eine Besonderheit im Deutschen ist die Stellung des Partizip Perfekt am Satzende und die damit verbundene Trennung vom Hilfsverb (z.B. deutsch: Ich habe meine Schuhe unter dem Bett gefunden. - englisch: I have found my shoes under the bed. - französisch: J'ai trouvé mes chaussures sous le lit.). Dies macht Simultanübersetzungen aus dem Deutschen aufgrund des zeitlichen Versatzes bei der Bedeutungsfindung äußerst beschwerlich.

 

Auch wenn uns heutzutage unsere Sprache statisch erscheint, entwickelt sie sich ständig weiter. Seit Jahrhunderten werden Worte aus fremden Sprachen in das Deutsche entlehnt und erscheinen uns heute vertraut. Solche Worte sind beispielsweise Marmelade (aus dem Spanischen), Alkohol (aus dem Arabischen), Gurke (aus dem Polnischen), Joghurt (aus dem Türkischen) oder Kutsche (aus dem Ungarischen). Dieser Prozeß hält ununterbrochen an. Zwei prominente moderne Entwicklungen sind neben grammatikalischen Veränderungen die seit einigen Jahrzehnten stattfindende Übernahme von Anglizismen in den deutschen Wortschatz (z.B. Computer, Chips, Fan, Download) oder die Entwicklung von englisch erscheinenden Kunstworten (z.B. Handy*, Beamer*, googeln).

 

*Hierzu zwei kuriose Anmerkungen: Das Wort "Handy" existiert als Substantiv im Englischen nicht und wird von angelsächsichen Muttersprachlern als Adjektiv mit der Bedeutung "geschickt" oder "handlich" verstanden. Das Mobiltelefon wird in Großbritannien als "mobile" und in Amerika als "cell phone" bezeichnet. Das Wort "Beamer" bezeichnet in Amerika einen BMW! Das Projektionsgerät wird im Allgemeinen "projector" genannt.

 

Eric Mankel

 

zurück


Lenz Zeichnung

 
Verein Historisches und kulturelles Bromskirchen e.V.